> Der Spaß steht im Vordergrund

17. Mai 2022

Es ist definitiv der Spaß, der beim Theater fulminant im Vordergrund steht. Das beweist die Schauspieltruppe nicht erst bei der Sprechprobe in der Atelierbühne in der Tapetenfabrik, sondern schon beim Warm-up. Nach einigen Lockerungsübungen für Körper, Zwerchfell und auch die Lippen, heißt es „Zipp – Zapp – Boing“. Im Kreis stehend, wirft man sich quasi einen unsichtbaren Ball zu. Heißt: Spreche ich meinen rechten Nachbarn an, klatsche ich und sage „Zapp“. Geht es nach links heißt es „Zipp“, quer durch den Kreis „Boing“. Und schon ist der nächste dran.

Doch eine Schauspieltruppe wäre keine Schauspieltruppe, wenn sie es sich so einfach machen würde. Jedes Zipp, Zapp oder Boing muss – durch Sprache, Gestik oder Mimik – eine Emotion widerspiegeln. Und die Gruppe beweist eindrucksvoll, dass man mit vermeintlich wenig Inhalt doch Vieles transportieren kann.

Theater fulminant ist fester Bestandteil des Stiftungslebens

Das Theaterprojekt fulminant bietet psychisch erkrankten Menschen die Möglichkeit, ihre Kunst vor einem großen Publikum zu zeigen. Gegründet an der Kölner Uniklinik, ist es seit 2009 aus dem Stiftungsleben der Stiftung Gemeindepsychiatrie Bonn-Rhein-Sieg (damals noch der Bonner Verein) nicht mehr wegzudenken. Leonce und Lena, Die Dreigroschenoper, Anatevka oder Rendezvous mit Loriot sind nur einige der Stücke, die die Truppe auf die Bühne gebracht hat – und die die Vielseitigkeit der Darstellerinnern und Darsteller zeigen.

Diese Vielseitigkeit wird wöchentlich – Proben finden immer mittwochs statt – unter Beweis gestellt. Denn Vanessa Topf, seit 2019 fulminante Theaterleiterin, setzt bei „ihren“ Schauspielern vor allem auf eins: Improvisation. „Man kommt direkt ins Handeln, nur gemeinsam kann die Improvisation funktionieren“, erläutert Topf. Darüber hinaus werde die Spielfreude geweckt und die Selbstreflexion gefördert. Um nur einige Vorteile zu nennen. Anfangs, so berichtet Topf, seien die Teilnehmenden etwas zurückhaltend und ängstlich gewesen. „Sie wollten mehr vorgegeben haben.“ Doch sie wuchsen über sich hinaus. Und haben Hürden und Schranken abgebaut.

Theaterleiterin Vanessa Topf setzt auf Improvisation

„Manchmal ist das schon ein mulmiges Gefühl“, beschreibt ein Darsteller, dessen Theater-fulminant-Anfänge eigentlich in der Musik lagen. „Man kann nichts ablesen und weiß nicht so recht, was auf einen zukommt.“ Allerdings sei man aktiver, treffe eigene Entscheidungen.  Und: „Man übt seine Fähigkeiten.“

Textlernen steht allerdings auch dann an, wenn sonst die Improvisation im Vordergrund steht. Eine weitere Aufgabe, an der man wächst. „Viel Text zu lernen ist definitiv schwierig“, beschreibt Rosabel. Und auch für Markus, der zwei Monologe zum Besten gibt, „war das Auswendiglernen schon in der Schulzeit mehr Arbeit als für andere. Wenn ich da nur an die Lateinvokabeln denke“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Es komme aber immer darauf an, welche Rolle man kriege. „Und wie gut man sich in sie hineinversetzen kann.“

Johannes ist von Anfang an dabei – quasi ein „Theater-Fulminanter“ der ersten Stunde. „Wir unterstützen uns gegenseitig“, beschreibt er, was die Gruppe ausmacht.  „Außerdem tut es unheimlich gut, in andere Rollen zu schlüpfen.“ Zu sehen, wir andere sich fühlen, sei eine wichtige Erfahrung. Für Gerrit – den Mann mit der wohl markantesten Stimme der Gruppe – hingegen ist die gemeinsame (Proben-)Arbeit kein Neuland. Kurzfilme und Theaterstücke hat er schon gemacht, außerdem war er bei der Daily Soap „Verbotene Liebe“ dabei. „Eigentlich wollte ich das beruflich machen. Dann habe ich mich aber leider entschieden, mein Sportstudium fertigzumachen.“ Ein Fehler, wie er heute meint. „Synchronsprecher zu werden oder Hörspiele und Hörbücher aufzunehmen – das wär‘s.“

Neue Darstellerinnen und Darsteller sind herzlich willkommen

Noch aber steht die Theaterarbeit an erster kultureller Stelle. Denn auch aktuell steht natürlich ein Stück auf dem Probenplan. Welches das ist, wird allerdings noch nicht verraten. Nur so viel: Wer den Blick zwischen Griechenland und der Schweiz schweifen lässt, könnte auf den Titel kommen. Und: Umzugskartons werden eine wichtige Rolle im Bühnenbild spielen. „Darin befinden sich alle Themen, die man nicht gerne anfasst, die man lieber verpackt lässt“, beschreibt Vanessa Topf. Einige Kartons nennt die Theaterleiterin bereits ihr Eigen, gelagert werden sie in der Atelierbühne. Doch es könnten noch mehr werden, „gerne auch alte“, so Topf. Wer also jemanden kennt, der jemanden kennt – die Truppe freut sich über Umzugskarton-Unterstützung – und über weitere Schauspielerinnen und Schauspieler.

Das Titel-Geheimnis wird übrigens gelüftet, wenn das Premierendatum feststeht. Bis dahin aber stehen noch einige Proben auf dem Programm. Und viele Zipps, Zapps und Boings.

Proben
Wer Lust hat, beim Theater fulminant dabei zu sein – oder einfach nur einmal probeweise Theaterluft schnuppern möchte – kann sich unverbindlich bei Vanessa Topf, vanessa@atelierbuehne.de, melden. Geprobt wird immer mittwochs ab 16.30 Uhr in der Atelierbühne in der Tapetenfabrik, Auguststraße 18.