Hilfe für Betroffene und Angehörige
Die Stiftung Gemeindepsychiatrie Bonn-Rhein-Sieg ist tagtäglich im Einsatz für psychisch erkrankte Menschen – jüngst auch gemeinsam mit dem General-Anzeiger. Bei einer gemeinsamen Telefonaktion standen Sylke Furch, Brigitte Jochum, Lothar Steffens und Jan-Philipp Buchheister für Fragen zum Thema „Psychische Belastung“ zur Verfügung.
Frage: Meine Schwester wohnt bei unseren Eltern. Nach einem Klinikaufenthalt wegen verschiedener Diagnosen – darunter Depression und Persönlichkeitsstörung – möchte sie nun nicht mehr zurück zu unseren Eltern. Welche Optionen gibt es? Wie kann die Wohnsituation refinanziert werden?
Antwort: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist ambulant betreutes Wohnen in der eigenen Wohnung. Die andere wäre unterstütztes gemeinschaftliches Wohnen. Möglich ist dies unter anderem in einem der 13 Wohnhäuser der Gemeindepsychiatrie im Bonner Stadtgebiet. Die beste Option aber wäre, erst einmal zu den Eltern zurückzuziehen und dann – mit professioneller Unterstützung – den Auszug in Angriff zu nehmen.
Die Refinanzierung kann über Wohngeld und Grundsicherung erfolgen – was von beiden greift, hängt von der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente und anderer einkommens- und vermögensrechtlicher Fragen ab.
Frage: Aufgrund persönlicher Ereignisse habe ich mich isoliert. Ich verlasse kaum die Wohnung, gehe nur alle 14 Tage einkaufen, Arzttermine nehme ich nur sporadisch wahr. Ich selbst habe keinen Leidensdruck, aber mein soziales Umfeld ist der Meinung, dass ich eine Therapie brauche. Doch in der Vergangenheit bin ich mit meiner Therapeutin nicht klargekommen und gehe seitdem nicht mehr dort hin. Vielleicht benötige ich jemand anderen, der mir hilft.
Antwort: Es bietet sich eine Beratung durch den Aufsuchenden Dienst an. Dabei handelt es sich um ein niederschwelliges Angebot für psychisch erkrankte oder psychisch auffällige Menschen, die bisher nicht in der Lage waren, selbstständig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vor Ort wird die Zuständigkeit geklärt und Unterstützung angeboten, die freiwillig in Anspruch genommen werden kann. Weitere Stichpunkte: Betreuung, aktive Begleitung, regelmäßige Vor-Ort-Präsenz, Begleitung zu Arztbesuchen, Klärung finanzieller und rechtlicher Angelegenheiten, Förderung der Selbstständigkeit, Aktivierung soziales Umfeld etc.
Kontakt: aufsuchender-dienst@gemeindepsychiatrie.de
Frage: Mein Sohn kommt nicht auf die Beine. Er hat bereits Behandlung und Reha in Bonn hinter sich und hat ein paar Schleifen in der Rentenversicherung gedreht. Nun steht der Vorschlag im Raum, sich beim Integrationsfachdienst zu melden und eine Umschulung zu machen. Er aber kommt nicht in die Gänge, sitzt nur in seinem Zimmer und recherchiert. Was können wir tun?
Antwort: Dies ist ein Fall, der häufig vorkommt: Die Angehörigen sind engagiert und wollen helfen, verlieren aber die Orientierung. Wichtig wäre, die Angehörigen UND den Sohn zu beraten. Im Zuge dieser Beratung klärt sich, wo er steht, was er braucht und wo man ansetzen kann. Angezeigt ist erst einmal, dem Sohn grundsätzlich zu helfen, bevor die nächste Umschulung geplant wird.
Kontakt: beratung@gemeindepsychiatrie.de
Frage: Welche Angebote kämen infrage?
Antwort: Zum einen die Ambulante Psychiatrische Pflege (APP). Dabei handelt es sich um eine Ergänzung zur ärztlichen Behandlung. Das primäre Ziel ist es, einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Der Klient wird kontinuierlich von einer Pflegekraft betreut und in seiner Eigenverantwortlichkeit bestärkt. Wiedererlangung strukturierter Tagesabläufe, Bewältigung von Krisensituationen zu Hause, Erkennen einer beginnenden Krankheitsepisode und Kontaktaufnahme zu wohnortnahen Betreuungsangeboten sind weitere Aspekte. Die APP wird von einem Facharzt verordnet und von der Krankenversicherung übernommen.
Kontakt: furch@gemeindepsychiatrie.de
Eine weitere Möglichkeit wäre die niederschwellige Werkstatt an der Eifelstraße 9-11, die allen Bonner:innen offen steht. Der Sohn könnte dort – ohne Hürden, ohne langwieriges Antragsverfahren – vorbeikommen (alleine oder in Begleitung) und sich erproben. So ist es möglich, sich unkompliziert und niederschwellig eine berufliche Perspektive zu erarbeiten. In der niederschwelligen Werkstatt werden echte Arbeitsaufträge bearbeitet – Verpackungs-, Montage- und Konfektionierungsarbeiten – für die keine Vorkenntnisse nötig sind.
Frage: Ein naher Angehöriger ist psychisch erkrankt. Wir beschreiten viele verschiedene Wege, um zu helfen. Allerdings stoßen wir an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Was können wir tun?
Antwort: Entlastung für die Angehörigen ist wichtig. Hilfe bietet die offene Beratung, damit sie und ihre Probleme gehört werden. Meist stehen nämlich sonst die Probleme des psychisch erkrankten Menschen im Fokus. Dabei gibt es Einzelberatung oder Angehörigentreffen. Beratungsstandorte sind unter anderem das M2 am Moltkeplatz und die LVR-Klinik.
Kontakt: beratung@gemeindepsychiatrie.de
Generell wurde deutlich:
- Viele ambulante Hilfen, die vom Arzt verordnet werden können, waren nicht bekannt (zum Beispiel Ambulante Psychiatrische Pflege (APP) oder Soziotherapie).
- Offene Beratung gibt Orientierung und hilft bei der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner
- Nachfragen nach niederschwelligen Angeboten: psychisch erkrankte Menschen benötigen die Niederschwelligkeit, um Selbsterfahrung zu machen und das notwendige Selbstvertrauen wieder zu erlangen, in eine Maßnahme hineinzukommen.
- Fachdienst Arbeit als erste Anlaufstelle: Ausprobieren und mit dem Fachmann das passende Angebot finden. Beratung ergebnisoffen und trägerübergreifend
- In Bonn werden mehrere Arbeitstrainings und Beratungsangebote vorgehalten – neben der Gemeindepsychiatrie zum Beispiel von Caritas, Diakonie und dem Verein Hilfe für psychisch Kranke (HFPK)